Heute ist der Todestag von meinem Vater (*22.5.22 bis + 29.6.2002). Er ist also 80 geworden, kurz nach dem Geburtstag meiner Schwester (28.6.). Ich war damals auch in Urlaub und bin kurz vor seinem Todestag aus dem Urlaub (Schweiz) zurück gekommen, so dass ich es zeitlich noch an seinem Sterbebett geschafft habe. Wir beide, Ulla und ich, hatten das Gefühl, unser Vater hätte mit seinem Tod gewartet, bis wir auch Zeit hatten, um uns ganz seinem Tod zu widmen.
Vater hatte seit etwa einem halben Jahr Gallenkrebs (im Januar diagnostiziert), der aber nicht die Ursache seines Todes war. Er hätte noch einige Monate länger leben können (wie seine Ärztin uns mitteilte). Ich glaube, er hat mit seinem Leben bewusst abgeschlossen. Er hatte genug. Ich hatte den Eindruck, er hat keinen friedlichen Tod gefunden, sondern ist «wütend» und enttäuscht aus dem Leben geschieden.
Er hatte eine merkwürdige «Wut im Bauch» (Galle?). Am Ende war ich der einzige, den er in seiner ausgebauten Dachwohnung noch an sich heranlies. Einmal hat er mich dabei mit «Wolfgang» angesprochen, dem Namen seines kleinen Bruders, der auch schon mit 60 gestorben war. Ich habe ihn nicht korrigiert. Ich war damals in Kontakt mit einer Frau in der Hospiz-Bewegung. Sie hatte mir empfohlen, den Sterbenden jeden Wunsch zu erfüllen – und nicht zu diskutieren.
Joachim hatte es in seiner Kindheit nicht leicht. Sein Vater Ewald (Geschäftsführer einer Fahrradfabrik in Weimar mit 8 Angestellten) hat den Freitod gewählt, da war Joachim 4 Jahre alt. Seine Mutter Martha hatte einen neuen Freund, der Joachim nicht in die Familie mit aufnehmen wollte. So ist Joachim bei seiner kinderlosen Tante Gretchen (Schwester von Martha) aufgewachsen. Mein Vater hat «Tante Gretchen» geliebt wie eine eigene Mutter.
Und irgendwie quälte sich Joachim mit seinem Stammbaum. Er fuhr noch kurz vor seinem Tod mit meiner Schwester nach Weimar zur Ahnen-Forschung. Er war total enttäuscht, vielleicht der Anfang von seiner Lebensmüdigkeit: «Alles nur Kommunisten oder Alkoholiker.»
Ich habe Geist und Seele meines Vaters noch lange in meiner Nähe in Frankreich gespürt! Ich habe ihn nicht «gesehen», doch seine wohlwollende Anwesenheit gespürt. Ich fühlte mich nicht beobachtet, eher seine Hände auf meinen Schultern, um mir seine väterliche Kraft weiterzugeben. Da war etwas von «Ich bin stolz auf dich!», was ich zu Lebzeiten nie gehört habe.
Ich habe den Eindruck, mein Vater ist schon als meine Enkelin Anouk (18.9.2009 in F-Ganges) wiedergeboren. Sie hat das verschmitzte Lächeln meines Vaters (s.o.) als «Erkennungsmerkmal» des Wiedergeborenen.