Das Blog von Jürgen Schröter

Kategorie: Narzissmus

Meine Bibliothek als Spiegel von was?

Meine «übermenschliche Bibliothek», wie ich sie nenne, fällt jedem auf, der mich besucht. Mir stellt sich die Frage: Was verbirgt sich hinter dieser «Grandiosität»:

Ich bringe meine Bibliothek auf kein Foto, müsste eher ein 360-Grad-Foto machen. Sie nimmt alle vier Wände meines Zimmers ein.
  • Irgendwann meinet ich selbst-ironisch: Ich bin mehr Lesewesen als Lebewesen.
  • Ich habe wahrscheinlich als Kind und Jugendlicher das Gefühl gehabt: Ich bin dumm. Wahrscheinlich ist meine Bibliothek eine Kompensation des Gefühls: Wer so eine Bibliothek hat, muss doch schlau sein!
  • Wer in mein Zimmer kommt, fragt mich als erstes ungläubig: «Hast du die alle gelesen??!!» Manchmal antworte ich: «Nein selbst geschrieben!» Das nimmt mir natürlich keiner ab – und es kommt zu einem Lachen.
  • Ich habe durchaus – wie soll ich sagen? – eine persönliche Beziehung zu meiner Bibliothek als sei sie ein ausgelagerter Teil von mir! Ich habe einmal die Phantasie gehabt, meine Bibliothek an einem markanten Ort zu vergraben, damit ich sie in meinem nächsten Leben wieder ausgraben und weiter benutzen könnte.
  • Bibliotheken haben in der Geschichte der Menschheit eine wichtige Rolle gespielt: Wer das Wissen hat, hat die Macht. Mein Jugendfreund Michael Knoche war sogar Leiter der Amalia-Bibliothek in Weimar vor dem Brand.
  • Mir ist klar, dass ich die restliche Zeit meines Lebens in der Schweiz diese Bibliothek auflösen möchte, damit ich mit leichtem Gepäck wieder nach Südfrankreich ziehen kann.
  • Meine Bibliothek hatte ich bei meinem letzten Leben in Südfrankreich (Bergdorf Mars) auf dem Dachspeicher untergebracht. Die »Decke» über meinem Arbeitsplatz war ein Holzboden. Plötzlich hörte ich ein verdächtiges Geräusch, als ob die Decke unter der Last der Bücher über mir zusammenkrachen würde. Ich hätte von meinen Büchern erschlagen werden können! Ich habe dann die ganzen Bücherpakete auf dem Dachboden so verteilt, dass die Holzdecke nicht mehr unter der Last ächzen musste.
  • Als ich von Südfrankreich mit einem LKW (7,5-Tonner) in die Schweiz gezogen bin, hatte ich massives Übergewicht. Ich musste den LKW an der Grenze und der Zollstelle entladen (also zweimal fahren) und hatte eine «Busse» (Schweizerdeutsch = Buße) von 1’000 Schweizer Franken zu zahlen, auch Betriebskosten meiner Bibliothek!
  • Ich habe nicht einmal meine ganze Bibliothek hier aufgebaut. In einigen Kartons habe ich einige Bücher schon für den Verkauf eingelagert.
  • Wenn ich ein neues Buchprojekt beginne, greife ich erst einmal auf die Bücher meiner Bibliothek zurück. Mehr noch: Ich habe das Gefühl, meine Bibliothek fordert mich regelrecht auf, mich an der nächste Buchprojekt zu machen und lässt mir keine Atempause.
  • Was mich am meisten fasziniert: Meine Bibliothek ist über die 50 Jahre wie nach einem heimlichen Plan aufgebaut. Ich nenne meine Seele die Chefbibliothekarin, als ob sie gewusst hätte, welche Bücher in einmal brauchen würde, um «mein Werk» zu vollenden. Viele meiner Bücher sind nur noch antiquarisch, wenn überhaupt zu bekommen. Meine Bibliothek verrät etwas über meinen Seelenplan in dieser Inkarnation.
  • Früher ließ ich meine neuen Bücher von Amazon kommen, hier in der Schweiz versuche ich, neue Bücher im örtlichen «Buechlade» zu kaufen oder gebraucht über Medimops zu beziehen.

Ich sehe in alledem durchaus ein Suchtverhalten von mir. Doch welchen NAMEN sollte ich dieser Sucht geben? Ist es eine Variante von Narzissmus? Und was suche ich in meiner Sucht nach Grandiosität überhaupt?

Ich habe schon manchmal das Gefühl,. etwas ganz Neues zu schaffen, ist damit die «Heilige Wissenschaft» gemeint? Wenn das der Fall ist, dann gibt mir meine Seele auch die Zeit dafür, dessen bin ich mir sicher.

Antipädagogik

Ich habe zwar Pädagogik studiert (in Dortmund mit 25, in Münster mit 60), war aber als Vater und Pädagogik-Student (mit 27) bewusst Anti-Pädagoge: Ekkehard von Braunmühl «Antipädagogik – Studien zur Abschaffung der Erziehung» (1980) | Schoenebeck: «Freundschaft mit Kindern» | Alice Miller «Am Anfang war Erziehung», das waren die Hauptwerke, von denen ich beeinflusst war. Es war auch die Zeit, da Pink Foyd den Song herausbrachten: «We don´t need no education …»

Meine erste Diplomarbeit trug den Titel «Psychologische Grundlegung der Antipädagogik». Ich frage mich heute, ob meine antipädagogische Einstellung bei meinem Sohn als Lieblosigkeit angekommen ist??!! Ich war dafür, ein Kind aus seiner Seele «wachsen zu lassen, damit es ein starkes SELBST aufbauen» könne. Mir war vor allem wichtig, ihm ein förderliches Umfeld zu schaffen, statt direkt in seine Erziehung einzugreifen. Und ich dachte, es wäre mir auch gelungen!

Wir hatten noch als Elternpaar in Bochum-Werne einen Kinderladen gegründet mit dem Namen «Volle Hose». Arne war noch im Krabbelalter und mit der Jüngste, der auch einiges von den Älteren abbekam. Ich weiß nicht, ob Arne sich in dem Kinderladen wirklich glücklich fühlte. Vielleicht hatte er erstmals das Gefühl schon gehabt, von den Eltern «abgeschoben» worden und nicht geliebt zu sein. Wenn das der Fall sein sollte, ist das wirklich ein Schock für mich. Renate und ich haben viel Energie in den Kinderladen gesteckt. Doch ich erinnere mich: Es war auch die Zeit, in der ich mich in andere Mütter aus dem Kinderladen VER-liebt habe.

Unsere Villa in Schweden war irgendwie wie «Villa Kunterbunt» von Pipi Langstrumpf, in der wir jede Ferien zusammen verbrachten. Arne war wie «Michel aus Lönneberga». In Schweden ging Arne als Blondschopf als schwedischer Bub durch.

Michel von Lönneberga | Foto: Artfilm/Svensk Filmindustri

Auf die etwas herzlose Frage meiner Eltern, wo Arne lieber wohnen würde, in Südfrankreich bei seiner Mutter oder in Deutschland bei mir, antwortete er zur Verblüffung aller: «In Südfrankreich, denn dann kann ich ja in den Ferien mit Jürgen nach Schweden!»

In Südfrankreich auf dem Bauernhof von Renate (Schafzucht in den Cévennen) ist Arne in der Natur aufgewachsen. Das sollte für ein Kind doch ideal sein! Und am Ende fühlt Arne sich doch nicht geliebt??!! Ich gebe offen zu, dass es für mich schwer zu verstehen ist. War meine antipädagogische Einstellung nur eine Ideologie, die mein narzisstisches Vater-Sein rechtfertigte? «Schock, lass nach!»

Ich ahne etwas: Arne ist viel zwischen Deutschland und Südfrankreich im Auto hin- und herchauffiert worden (es waren ca. 1200 km eine Strecke). Vielleicht fühlte er sich dabei von einem Elternteil zum anderen «abgeschoben»?
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Mein Sohn Arne hat sich nie geliebt gefühlt

Es war fast der «Schock meines Lebens», dass mein Sohn (in nicht ganz nüchternem Zustand) mir einmal offenbart hat, dass er sich nie geliebt gefühlt hat. Das hat wohl etwas mit meiner Untersuchung über meinem eigenen Narzissmus zu tun, wenn ich mich jetzt daran erinnere! Ich lese, dass die Erfahrung des Nicht-Geliebtseins meistens bei den eigenen Eltern beginnt: von den eigenen Eltern nicht geliebt zu sein. Ich sage es einmal pointiert: Die Kinder von Narzissten müssen durch den Mangel an Eltern-Liebe selbst Narzissten werden.

Das Foto hat mein Vater Joachim gemacht. Es war schon auffällig, dass ich meinen Bart mit der Geburt meines Sohnes habe wachsen lassen: Mit Bart war ich Vater.

Arne ist heute als Erwachsener (44 Jahre, Vater von 2 Kindern) selbst – ich sage es wieder pointiert: beziehungsunfähig. Ein Mann mit viel Charm, ein Frauenschwarm, kann sich leicht verlieben, aber keine Beziehung auf Dauer halten. Was habe ich da an meinen Sohn «weitervererbt»?!

Umgekehrt beginne ich mich zu fragen, ob ich mich als Kind von meinen Eltern geliebt gefühlt habe. Spontan würde ich sagen: NEIN. Mein Vater war eher der «abwesende Vater», erst kurz vor seinem Tod haben wir uns einmal in den Arm genommen. Bei meiner Mutter Maria war es eher umgekehrt: Ich hatte als Kind das Gefühl, sie ersticke mich mit ihrer Liebe – als Kompensation für die mangelnde Liebe zwischen unseren Eltern. Ich war für meine Mutter wohl als kleiner Prinz die «Ersatzliebe». Und ein anderes Gefühl: Ich glaube, meine Mutter (als Dorfschönheit) war dann in der Großstadt Leverkusen ein sehr ängstlicher Mensch. Irgendwann wurde mir bewusst: Meine Lebensängste sind die meiner Mutter. Und ich kann mich an das Gefühl erinnern – als ob es gestern gewesen wäre, dass meine erste Frau Renate (die Mutter von Arne) mich mit ihrer Liebe ersticken würde! Heute würde ich für dieses Gefühl nicht Renate verantwortlich machen, sondern mich selbst.

Und ich habe den Eindruck, dass ich meiner Lebenswahrheit näher komme: «Bekenntnisse eines Narzissten»! Was mir auch auffällt: Ich würde hemmungslos sagen: Ich liebe meine Eltern! Doch auch das wäre typisch: die eigenen Eltern idealisieren, um dem Blick auf die Elternwunden zu entgehen. Als Jugendlicher war ich (als Wassermann) «Revoluzzer». Mein Vater hatte Verständnis («Junge Männer müssen Revoluzzer sein.») Für meine Mutter war es unerträglich: Sie hat mich mit 17 aus dem Elternhaus emotional erpressend rausgeschmissen: «Du gehst über Leichen!» – «Du bist nicht mehr mein Sohn!»

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