Ich habe zwar Pädagogik studiert (in Dortmund mit 25, in Münster mit 60), war aber als Vater und Pädagogik-Student (mit 27) bewusst Anti-Pädagoge: Ekkehard von Braunmühl «Antipädagogik – Studien zur Abschaffung der Erziehung» (1980) | Schoenebeck: «Freundschaft mit Kindern» | Alice Miller «Am Anfang war Erziehung», das waren die Hauptwerke, von denen ich beeinflusst war. Es war auch die Zeit, da Pink Foyd den Song herausbrachten: «We don´t need no education …»

Meine erste Diplomarbeit trug den Titel «Psychologische Grundlegung der Antipädagogik». Ich frage mich heute, ob meine antipädagogische Einstellung bei meinem Sohn als Lieblosigkeit angekommen ist??!! Ich war dafür, ein Kind aus seiner Seele «wachsen zu lassen, damit es ein starkes SELBST aufbauen» könne. Mir war vor allem wichtig, ihm ein förderliches Umfeld zu schaffen, statt direkt in seine Erziehung einzugreifen. Und ich dachte, es wäre mir auch gelungen!

Wir hatten noch als Elternpaar in Bochum-Werne einen Kinderladen gegründet mit dem Namen «Volle Hose». Arne war noch im Krabbelalter und mit der Jüngste, der auch einiges von den Älteren abbekam. Ich weiß nicht, ob Arne sich in dem Kinderladen wirklich glücklich fühlte. Vielleicht hatte er erstmals das Gefühl schon gehabt, von den Eltern «abgeschoben» worden und nicht geliebt zu sein. Wenn das der Fall sein sollte, ist das wirklich ein Schock für mich. Renate und ich haben viel Energie in den Kinderladen gesteckt. Doch ich erinnere mich: Es war auch die Zeit, in der ich mich in andere Mütter aus dem Kinderladen VER-liebt habe.

Unsere Villa in Schweden war irgendwie wie «Villa Kunterbunt» von Pipi Langstrumpf, in der wir jede Ferien zusammen verbrachten. Arne war wie «Michel aus Lönneberga». In Schweden ging Arne als Blondschopf als schwedischer Bub durch.

Michel von Lönneberga | Foto: Artfilm/Svensk Filmindustri

Auf die etwas herzlose Frage meiner Eltern, wo Arne lieber wohnen würde, in Südfrankreich bei seiner Mutter oder in Deutschland bei mir, antwortete er zur Verblüffung aller: «In Südfrankreich, denn dann kann ich ja in den Ferien mit Jürgen nach Schweden!»

In Südfrankreich auf dem Bauernhof von Renate (Schafzucht in den Cévennen) ist Arne in der Natur aufgewachsen. Das sollte für ein Kind doch ideal sein! Und am Ende fühlt Arne sich doch nicht geliebt??!! Ich gebe offen zu, dass es für mich schwer zu verstehen ist. War meine antipädagogische Einstellung nur eine Ideologie, die mein narzisstisches Vater-Sein rechtfertigte? «Schock, lass nach!»

Ich ahne etwas: Arne ist viel zwischen Deutschland und Südfrankreich im Auto hin- und herchauffiert worden (es waren ca. 1200 km eine Strecke). Vielleicht fühlte er sich dabei von einem Elternteil zum anderen «abgeschoben»?
.