Meine «übermenschliche Bibliothek», wie ich sie nenne, fällt jedem auf, der mich besucht. Mir stellt sich die Frage: Was verbirgt sich hinter dieser «Grandiosität»:

- Irgendwann meinet ich selbst-ironisch: Ich bin mehr Lesewesen als Lebewesen.
- Ich habe wahrscheinlich als Kind und Jugendlicher das Gefühl gehabt: Ich bin dumm. Wahrscheinlich ist meine Bibliothek eine Kompensation des Gefühls: Wer so eine Bibliothek hat, muss doch schlau sein!
- Wer in mein Zimmer kommt, fragt mich als erstes ungläubig: «Hast du die alle gelesen??!!» Manchmal antworte ich: «Nein selbst geschrieben!» Das nimmt mir natürlich keiner ab – und es kommt zu einem Lachen.
- Ich habe durchaus – wie soll ich sagen? – eine persönliche Beziehung zu meiner Bibliothek als sei sie ein ausgelagerter Teil von mir! Ich habe einmal die Phantasie gehabt, meine Bibliothek an einem markanten Ort zu vergraben, damit ich sie in meinem nächsten Leben wieder ausgraben und weiter benutzen könnte.

- Bibliotheken haben in der Geschichte der Menschheit eine wichtige Rolle gespielt: Wer das Wissen hat, hat die Macht. Mein Jugendfreund Michael Knoche war sogar Leiter der Amalia-Bibliothek in Weimar vor dem Brand.
- Mir ist klar, dass ich die restliche Zeit meines Lebens in der Schweiz diese Bibliothek auflösen möchte, damit ich mit leichtem Gepäck wieder nach Südfrankreich ziehen kann.
- Meine Bibliothek hatte ich bei meinem letzten Leben in Südfrankreich (Bergdorf Mars) auf dem Dachspeicher untergebracht. Die »Decke» über meinem Arbeitsplatz war ein Holzboden. Plötzlich hörte ich ein verdächtiges Geräusch, als ob die Decke unter der Last der Bücher über mir zusammenkrachen würde. Ich hätte von meinen Büchern erschlagen werden können! Ich habe dann die ganzen Bücherpakete auf dem Dachboden so verteilt, dass die Holzdecke nicht mehr unter der Last ächzen musste.
- Als ich von Südfrankreich mit einem LKW (7,5-Tonner) in die Schweiz gezogen bin, hatte ich massives Übergewicht. Ich musste den LKW an der Grenze und der Zollstelle entladen (also zweimal fahren) und hatte eine «Busse» (Schweizerdeutsch = Buße) von 1’000 Schweizer Franken zu zahlen, auch Betriebskosten meiner Bibliothek!
- Ich habe nicht einmal meine ganze Bibliothek hier aufgebaut. In einigen Kartons habe ich einige Bücher schon für den Verkauf eingelagert.
- Wenn ich ein neues Buchprojekt beginne, greife ich erst einmal auf die Bücher meiner Bibliothek zurück. Mehr noch: Ich habe das Gefühl, meine Bibliothek fordert mich regelrecht auf, mich an der nächste Buchprojekt zu machen und lässt mir keine Atempause.
- Was mich am meisten fasziniert: Meine Bibliothek ist über die 50 Jahre wie nach einem heimlichen Plan aufgebaut. Ich nenne meine Seele die Chefbibliothekarin, als ob sie gewusst hätte, welche Bücher in einmal brauchen würde, um «mein Werk» zu vollenden. Viele meiner Bücher sind nur noch antiquarisch, wenn überhaupt zu bekommen. Meine Bibliothek verrät etwas über meinen Seelenplan in dieser Inkarnation.
- Früher ließ ich meine neuen Bücher von Amazon kommen, hier in der Schweiz versuche ich, neue Bücher im örtlichen «Buechlade» zu kaufen oder gebraucht über Medimops zu beziehen.

Ich sehe in alledem durchaus ein Suchtverhalten von mir. Doch welchen NAMEN sollte ich dieser Sucht geben? Ist es eine Variante von Narzissmus? Und was suche ich in meiner Sucht nach Grandiosität überhaupt?
Ich habe schon manchmal das Gefühl,. etwas ganz Neues zu schaffen, ist damit die «Heilige Wissenschaft» gemeint? Wenn das der Fall ist, dann gibt mir meine Seele auch die Zeit dafür, dessen bin ich mir sicher.